Mythen rund um ERP-Customizing

Haende auf Notebook-Tastatur

 

Sind Standard ERP-Lösungen noch zeitgemäß?

 

So vielfältig wie die Unternehmenslandschaft ist, so verschieden sind auch die Geschäftsprozesse. Da verwundert es kaum, dass eine Standard ERP-Software trotz eines hohen Funktionsumfangs nicht immer für alle Abläufe gleichermaßen geeignet ist. Die Entwicklung einer Individualsoftware ist kostenintensiv und selten wirtschaftlich. Sehr viel einfacher ist es, Standardlösungen an kundenspezifische Bedürfnisse, Prozesse und Organisationsstrukturen anzupassen.

 

Der Anglizismus Customizing beschreibt allgemein die Anpassung von Serienprodukten; „custom“ bedeutet „maßgeschneidert“. Auch bei ERP-Systemen hat Customizing eine hohe Relevanz, da es die Abbildung unternehmensindividueller Anforderungen ermöglicht. Bei den Anpassungen geht es um die Einstellung verschiedener Parameter, insbesondere handelt es sich um Prozesse, Organisationsstrukturen (z.B. Standorte, Produktion, Lager), Schnittstellen, Formularlayouts (z. B Rechnungen, Lieferscheine) oder Benutzergruppen und Berechtigungen. Der Quellcode wird hierbei – anders als bei der sogenannten Modifikation – nicht verändert.

 

Warum anpassen? Vorteile und Notwendigkeit von ERP-Customizing

 
Die meisten ERP-Systeme auf dem Markt verfügen über viele nützliche Standardfunktionen und Module, die sich aus jahrelanger Best-Practice-Erfahrung herauskristallisiert haben. Häufig ist es sinnvoll, die Software mittels ERP-Customizing auf die Anforderungen des jeweiligen Unternehmens zuzuschneiden. Der größte Vorteil von ERP-Customizing liegt darin, dass komplexe branchenspezifische Gegebenheiten flexibel abgebildet werden und für zukünftige neue Marktanforderungen gerüstet sind.

 

Welche Unterschiede gibt es bei der Anpassung von ERP-Systemen?

In der Regel wird zwischen drei Customizing-Methoden unterschieden, mit deren Hilfe eine ERP-Software an unternehmensspezifische Anforderungen angepasst werden kann.

 

Methode 1: Installation von Add-ons

 
Bei dieser Methode werden zusätzliche Tools genutzt, um fehlende Funktionen oder Prozesse im ERP-System zu ergänzen. Der größte Vorteil bei der Installation von Add-ons liegt darin, dass keinerlei Veränderungen am Kernsystem erfolgen. Somit bleibt die Updatefähigkeit des Standard-ERP-Systems zu jeder Zeit erhalten.

 
Methode 2: Parametrisierung

 
Die Mehrzahl der ERP-Systeme beinhaltet Parameter zur Abbildung spezifischer Anforderungen des jeweiligen Unternehmens. Der Vorteil der Parametrisierung liegt ebenfalls darin, dass keine Veränderungen am Programmcode des ERP-Systems erfolgen und das System updatefähig bleibt. Zu viele Parameter können jedoch ein Manko darstellen, denn das Aktivieren oder Deaktivieren von Einzeleinstellungen erzeugt Abhängigkeiten untereinander, was sich nachteilig auf die Funktionalität des Systems auswirkt.

 

Methode 3: Anpassungsprogrammierung

 
Bei dieser Methode wird die ERP-Anwendung auf Basis des Codes angepasst und geht über das Prinzip des Customizings eigentlich hinaus. Spezifische Schnittstellen oder neue Funktionen werden ohne Einschränkungen programmiert und erweitern den Spielraum enorm. Daher liegt der Vorteil dieser Methode klar in der exakten Abbildung hochspezifischer Unternehmensprozesse. Eine Anpassungsprogrammierung nimmt meist viel Zeit in Anspruch, ist mit hohen Kosten verbunden und erschwert die Updatefähigkeit des Systems.

Customizing von ERP-Software: Maßanzüge sind teuer und andere Vorurteile

 

Obwohl es viele Vorteile mit sich bringt, genießt ERP-Customizing bei kleinen und mittelständischen Unternehmen oft keinen besonders guten Ruf. Woran liegt das? Wir gehen den drei gängigsten Vorurteilen in puncto ERP-Customizing auf den Grund.

 
Mythos 1: Customizing ist kostenintensiv und viel zu aufwändig für kleine und mittelständische Unternehmen

 
Im Gegenteil! Die Anpassungsmöglichkeiten von ERP-Systemen entwickeln sich auch für kleine und mittelständische Unternehmen zunehmend zu einem entscheidenden Wettbewerbsfaktor. Die Lösungen lassen sich äußerst präzise an Prozessänderungen anpassen und ermöglichen dadurch eine rasche Reaktion auf Veränderungen am Markt. Sogenannte modular aufgebaute ERP-Systeme bieten ein gutes Preis-Leistungs-Verhältnis: Die verschiedenen Module können je nach Bedarf zusammengestellt und bereits vorhandene Lösungen mittels Schnittstelle integriert werden. Dank branchenspezifischer Funktionalitäten und vorgefertigter Templates erfolgen individuelle Einstellungen kostengünstig und schnell.

 
Entsprechende Customizing-Tools bieten Anwendern auch die Möglichkeit, Anpassungen selbst durchzuführen – ohne Programmierkenntnisse. Im Zuge der Implementierung eines neuen ERP-Systems ist es von entscheidender Bedeutung, vorab mit dem Anbieter zu klären, ob es sich beim Customizing um ein zugesichertes Produktfeature oder um eine kostenpflichtige Erweiterung handelt. Die Auswahl eines ERP-Systems, das bereits über ein entsprechendes Customizing-Tool verfügt, ergibt in vielen Fällen Sinn: Einstellungen wie Datenbankerweiterungen oder Formularanpassungen können damit schneller und effizienter vorgenommen werden.

 

Mythos 2: Durch Customizing verliert eine ERP-Software ihre Upgradefähigkeit

 
Die Update-Fähigkeit der Software geht beim Customizing nicht verloren. Nimmt man Veränderungen am Code des ERP-Systems vor (siehe „Methode 3: Anpassungsprogrammierung“), wird diese Fähigkeit allerdings beeinträchtigt. Dies ist darauf zurückzuführen, dass mit jeder neuen Version der Software auch sämtliche Modifikationen nachgezogen und die kontinuierliche Funktionalität sichergestellt werden müssen. Eine einfache Lösung bieten hier entsprechende Customizing-Tools (sogenannte Add-ons). Diese werden über Schnittstellen hinzugefügt, ohne das Standardsystem zu verändern.

 
Mythos 3: Je angepasster und individueller eine ERP-Software ist, desto besser
 
Wie bereits erwähnt, bildet ERP-Customizing heutzutage eine Notwendigkeit, um wettbewerbsfähig zu bleiben. Allerdings besteht ein gewisses Risiko der „Überoptimierung“, das aus einem nützlichen System einen mächtigen Koloss macht. Hier gilt es, ein gesundes Mittelmaß zu finden und die Prozesse im Unternehmen einer kritischen Prüfung zu unterziehen. Die Kernfrage dreht sich dabei mehr um „wie“ und „in welchem Umfang“, als um ein generelles „ob“: Welche Unternehmensprozesse müssen angepasst werden und welche sind flexibel genug, um entsprechend individuell eingestellt werden zu können?

 

 

Fazit: Flexibilität ist Trumpf bei ERP-Lösungen

 

Die Anpassungsfähigkeit und Flexibilität einer ERP-Software sind entscheidende Wettbewerbsfaktoren in einer volatilen, globalen Geschäftswelt. Entsprechende Tools und Parameter machen ERP-Customizing auch für kleine oder mittelständische Unternehmen erschwinglich und ermöglichen es, neue Abläufe rasch umzusetzen und sich dadurch entscheidende Wettbewerbsvorteile zu sichern.

 

Mann klebt Zettel an Wand